Ausbau und Prüfung
Zylinder, Kolben und Zylinderkopf - Teil 1
von Henning Willig
Vorwort: Erfahrene Schrauber werden vieles kennen und wissen. Ich wende mich hiermit an Personen, die keine oder wenig Erfahrungen haben und sich an die Technik nicht herantrauen. Deshalb beschreibe ich die Tätigkeiten so detailliert und ausführlich, dass sich eigentlich jeder auch ohne Vorkenntnisse daran wagen kann. Hierzu ist auch nicht eine voll ausgestattete Werkstatt notwendig, sondern nur etwas Werkzeug, das es eigentlich überall zu kaufen gibt.
Warum muss dieser Motor gemacht werden? Es handelt sich um meinen Alltagsroller, der nunmehr viel Öl verbraucht und nach dem Kaltstart eine dicke Ölwolke „hinstellt“. Es gibt dafür mehrere mögliche Ursachen, aber um die Ursache(n) zu finden, muss der Motor bis zur „Gürtellinie“ = bis zum Zylinderfuß zerlegt werden. Alles andere am Motor ist o.k., nur dreckig.
Die Methode einer Reparatur / Überholung ist immer dieselbe:
- Zerlegen,
- Putzen und prüfen,
- Bearbeiten, ersetzen bzw. Neuteile besorgen und
- Zusammenbauen
Diese 4 Schritte sind zu durchlaufen, wobei der 1. und der 2. Schritt parallel erfolgen können.
Bevor ich beginne, schütze ich meine Hände mit einer Creme, die es sehr erleichtert den Schmutz nachher zu entfernen. Die von mir verwendete Creme heißt „Travabon“ von Stockhausen. Mit Handschuhen schraube ich nicht gerne.
1. Demontage des Kofferkastens
Zuerst muss der Kofferkasten demontiert werden. Dies ist sehr ausführlich im Video: Heinkel-Club Service Video 01 - Kofferkasten abnehmen beschrieben.
2. Demontage des Tanks
a) Lösen des Benzinschlauches vom geschlossenen Benzinhahn durch abziehen. Wenn der Schlauch etwas angeklebt ist, mit einer Kombizange etwas lösen.
Benzin kann auslaufen, mit Lappen auffangen oder vorher entleeren und auffangen. Das Benzin läuft aus dem Benzinschlauch ab.
Wenn der Schlauch alt und hart ist, ersetzen. Nur hochwertigen schwarzen Gummi verwenden (Club), keine durchsichtigen Schläuche, die werden schnell hart und undicht.
3. Demontage des Vergasers
4. Demontage des Auspuffs
d) Lösen der Schrauben, die den Auspuff an der Motorkonsole halten, SW14 wenn es noch alte Schrauben sind. Die Schrauben sitzen oft fest, weshalb ich empfehle es NICHT mit einem Maul- oder Gabelschlüssel zu öffnen. Am besten mit einem Ringschlüssel. An die untere Schraube kommt man mit einer Nuss nicht hin.
e) Auspuff durch etwas hin- und her bewegen lockern und nach hinten abnehmen.
Schrauben wieder in die Gewinde des Auspuffs einsetzen, damit sie nicht verloren gehen. Auspuff weglegen.
5. Demontage der Luftleitbleche
Die Luftleitbleche sind oft gerissen oder beschädigt, deshalb sind sie in gutem Zustand selten. Seien Sie vorsichtig beim Entfernen der Luftleitbleche, nicht hebeln, sondern nur sachte drücken und/oder mit dem Schraubenzieher „unterstützen“!
6. Demontage des Auspuffkrümmers
a) Das rechte Luftleitblech ist ab, nun wird er Auspuffkrümmer entfernt. Öffnen der 3 verkupferten Muttern mit SW9 (mit einer ¼-Zoll-Nuss geht das am besten). Vorsicht, die Stehbolzen nicht abreißen. Falls es nicht gehen sollte, mit eine Lötlampe oder einem Gasbrenner warm machen. Aber meist gehen sie ab.
7. Demontage des Ansaugstutzens
Nun wird der Ansaugstutzen entfernt. Der muss ab, damit man den Kopf nach oben herausziehen kann. Sonst kollidiert der Ansaugkrümmer mit dem Rahmenoberrohr rechts. Das sind normalerweise SW14-Muttern, falls diese mal ersetzt wurden, sind es oft nach der neuen Norm SW13-Muttern. Ich habe hier VA-Muttern verbaut, das sieht schön aus, ist aber eigentlich egal.
Bisher waren alle Tätigkeiten nur vorbereitend. Nun wird begonnen den Zylinderkopf zu demontieren.
8. Abnehmen des Zylinderkopfdeckels
Jetzt den Zylinderkopfdeckel so weit abheben, dass die Scheiben einfach mit dem Finger abgezogen werden können. Es geht auch, in dem man den Deckel mit den Scheiben abhebt, aber da besteht die Gefahr, dass eine oder mehrere Scheiben herunterfallen. Falls VA-Scheiben verwendet wurden, können diese NICHT einem Magneten gefasst werden. VA ist nicht magnetisch!“
9. Prüfung des Zylinderkopfdeckels
Der erste Blick geht in den Zylinderkopfdeckel. Da sind 2 Nasen im Deckel angegossen. Die sind wichtig, weil da das Öl „kondensiert“ bzw. sich sammelt“ und von da aus auf die Kipphebel, genau in das länglich ovale Loch tropft und die Kipphebel auf der Achse schmieren. Die beiden Nasen müssen vorhanden und spitz sein.
Wenn man genau schaut ist bei mir eine leicht beschädigt. Das kommt von einem Kipphebelbock-abriss. Damals ist die Kipphebelachse nach oben gebogen worden und der Kipphebel hatte Kollision mit der Nase des Auslassventils. Der Kopf war Schrott! Der Schraubenzieher zeigt auf die „gute“ Nase.
10. Motor auf Zünd-OT stellen
Es ist besser, jetzt den Motor auf Zünd-OT zu stellen, aber es geht auch ohne.
Anmerkung: OT steht für „oberer Totpunkt“, das ist, wo der Kolben ganz oben ist und wieder „umdreht“, d.h. nach unten geht. UT (unterer Totpunkt) ist somit die andere Seite, also ganz unten in der Kolbenbewegung.
Wie das geht, finden Sie im Heinkel-Video auf YouTube:
Jetzt kommen wir zum 4-Takt-Motor und der Ventilsteuerung. Da ist etwas Theorie notwendig, um zu verstehen, wie die Ventilsteuerung funktioniert:
Das Prinzip der 4 Takte ist hier einfach beschrieben:
de.wikipedia.org/wiki/Viertaktmotor
oder hier:
12. Klemmung Kipphebelachse lösen
Spätestens jetzt den Schacht nach unten (in dem die Stößelstangen „stehen“) mit einem Lappen verschließen. Wenn da was reinfällt, vor allem etwas metallisches, kann man den ganzen Motor aufmachen. Das wäre viel Aufwand für eine kleine Unachtsamkeit!
Anmerkung: Die Stößelstangen werden auch oft Stoßstangen genannt.
13. Kipphebel demontieren
a) Jetzt wird es etwas „tricky“. Die Kipphebelachsen sind nicht mehr geklemmt und können jetzt mit SANFTEN Schlägen (was ist sanft? = langsam herantasten, bis die Achse sich bewegt), am besten nach hinten, herausgeklopft werden. Wenn es nach vorne leichter geht, dann nach vorne!
Man kann es mit einem Schraubenzieher machen, siehe Bilder oder mit einem Durchschlag. Beides sollte in einem normalen „Schrauberhaushalt“ vorhanden sein.
Alternativ gibt es beim Club auch einen Führungsstift für Kipphebelachsen.
Club-Werkzeug: 11.1891 - Führungsstift für Kipphebelachsen 401/W 19
Den Schraubenzieher oder Durchschlag, je nachdem, mit was man die Kipphebelachse herausschlägt, bis zum Ende beider Kipphebelböcke durchdrücken, damit die Kipphebelachse herausfällt und der Kipphebel noch auf dem Schraubenzieher positioniert ist. Dadurch verliert man die beigelegten Distanzscheiben nicht. Es sind mindestens 1 oder meist 2.
15. Zylinderkopf demontieren
16. Demontage des Zylinders
Der Zylinder klebt oder hängt meist auf der Zylinderkopfdichtung fest. Durch leichte seitliche Schläge mit einem Gummihammer lösen oder, wenn es gar nicht anders geht, mit einem großen Schraubenzieher hebeln.
Die Kühlrippen brechen bei der Schraubenzieher-Methode leicht ab. Die Gummihammer-Methode ist vorzuziehen.
17. Kolben „sichern“ und Zylinderfußdichtung demontieren
18. Demontage des Kolbenbolzens