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Tourist

Heinkel Tourist 101-A0

TOURIST 101 A0

149 cm³ / 7,2 PS 1953 bis 1954

Heinkel Tourist 102-A1

TOURIST 102 A1

174 cm³ / 9,2 PS 1954 bis 1955

Heinkel Tourist 103-A0

TOURIST 103 A0

173 cm³ / 9,2 PS 1955 bis 1957

Heinkel Tourist 103-A1

TOURIST 103 A1

173 cm³ / 9,5 PS 1957 bis 1960

Heinkel Tourist 103-A2

TOURIST 103 A2

173 cm³ / 9,5 PS 1960 bis 1965

70 Jahre Heinkel Tourist - Typ 101 A-0

Von der Idee einen Roller zu bauen

von Dieter Lammersdorf

Auch wenn die Produktion des ersten Heinkel-Tourists im Sommer 1953 begann, angefangen hatte die Planung für den Heinkel-Roller bereits vier Jahre vorher. 

Am 9. November 1949 fand in Heinkels Privathaus eine Besprechung mit fünf Mitarbeitern statt. Es waren die Herren Hertweck, Merkel, Sommer, Ziegler und sein Sohn Rolf Heinkel. Bei dieser Besprechung wurde über die Zukunft des Werkes in StuttgartZuffenhausen gesprochen.
Über den zu planenden Roller wurde einstimmig festgestellt, „dass [...] genügend Bedarf für ein solches Fahrzeug vorhanden ist. Das Motorrad in seiner jetzigen Form ist viel zu sportlich und für den Stadtverkehr unhandlich. Man muss also bei der Konstruktion eines Motorrollers davon ausgehen, ein Fahrzeug zu schaffen, das in der einfachsten Weise bedient und gefahren werden kann.

Die einfache Bedienung und schnelle Betriebsfähigkeit sind um so erforderlicher, als der Motorroller für den vollkommenen Laien (Frauen) Verwendung bieten soll. Die bisherigen Konstruktionen von Motorrollern zeigen noch nicht das, was unbedingt erforderlich ist.“

Die Versuchsfahrten mit dem neuen Roller (Typ 100 A-0), der noch mit NSU-Fox-Motor ausgestattet war, wurden am 23. März 1950 gestartet

Ein Roller mit 4-Takt Motor begeistert die Fachwelt

Trotz viel Arbeitszeit, Energie und Geld sollte erst die Weiterentwicklung des Versuchs-Rollers in die Serienproduktion gehen und den Weg zum erfolgreichsten Roller der Nachkriegszeit bereiten. 

 Bei einer Besprechung am 24. April 1953 wurde beschlossen:

 dass der Roller nur in Neptungrün geliefert wird (später kamen die Farben Pastell-Beige und Reseda-Grün hinzu),

 aus Kostengründen nur die ersten 100 Roller mit Leichtmetallfelgen auszustatten, alle weiteren sollten Stahlfelgen haben,

 dass der Händlereinkaufspreis ab Werk (Inland) DM 1414,-; (Export) DM 1330,- und der Ladenverkaufspreis DM 1790,- beträgt (ohne Transportverpackung, Reserverad und Gepäckträger),

 Prof. Heinkel stimmte auf dieser Sitzung ebenfalls zu, dass die Roller an sportlichen Veranstaltungen teilnehmen sollten. Die erste Veranstaltung sollte die ADACDeutschlandfahrt im Mai 1953 mit zwei Prototyprollern sein. Um die Roller nicht zu sehr zu beanspruchen, wurde späterangeregt, dass die Fahrer möglichst nicht mehr als 65 kg wiegen sollten.

 bereits zu diesem Zeitpunkt wurde intensiv über die Weiterentwicklung des Motors beraten (175 ccm, die ersten Überlegungen zum Elektrostarter wurden bereits 1952 angestellt).

Nach alter „Heinkelsitte“ (aus dem Flugzeugbau übernommen) wurden sämtliche Teile des Rollers bis ins Kleinste überprüft und getestet, ganz nach dem Motto: Lieber einmal mehr geprüft als das Fahrzeug zu früh in Serie zu geben und so den guten Ruf des Namens Heinkel zu gefährden. Um die Roller aufs Genauste zu überprüfen, bediente man sich auch „fremder“ Hilfe. 

Heinkel stellte den Motorjournalisten der Fachzeitschriften gerne Fahrzeuge aus der Vorserie zur Verfügung, um dadurch weitere Hinweise auf Verbesserungen zu erhalten. So konnte der Redakteur der Fachzeitschrift 
"Roller Revue" bereits im Februar 1953 - fünf Monate vor Produktionsbeginn - einen Roller testen. 
Der ausschlaggebende Anstoß, den Roller zu bauen, ist nach Erzählungen von ehemaligen Mitarbeitern dem damaligen Versuchsfahrer und späteren Sportleiter Willi Massa zu verdanken. An einem Wochenende 
im Frühsommer 1953 überführte er einen Prototyproller von Stuttgart nach München. Als Heinkel ihn nach der Fahrt fragte, was er von diesem Fahrzeug hielte, lobte er den Roller und meinte zudem, dass er nicht verstehe, warum dieser Roller noch nicht in Serie gebaut wird. Am folgenden Montag veranlasste Heinkel alles Nötige, um eine Serienproduktion beginnen zu können. Die Typenzulassung wurde am 27. Juli 1953 beim TÜV Stuttgart durchgeführt und anschließend mit der Serienproduktion begonnen. 

Zur IFMA (Internationale Fahrradund Motorradausstellung) im Oktober 1953 wurde der HeinkelTourist mit der Typenbezeichnung 101 A-0 einer großen Öffentlichkeit werbewirksam vorgestellt. Es war der erste deutsche 4-Takt-Roller.

Das typische Heinkeldesign des Rollers 

Der Roller wirkte harmonisch wie aus einem Stück gegossen. Auf den ersten Blick etwas wuchtig, wurden dennoch die Grundprinzipien des Rollerbaus (kleine Räder, volle Motorverkapselung, gute Frontabdeckung für den Fahrer und freier Durchstieg) eingehalten. 

Schwierigkeiten bereiteten die großen Ausbuchtungen am unteren Knieblech, die immer wieder zu Falten beim Pressen führten. Bei der Besprechung am 4. September meinte Prof Heinkel dazu: „Es wäre ein Unsinn (und ich möchte wissen, wer das gemacht hat), dass wir das Schutzblech vorn unten bei den Fußspitzen nach den Kindersärgen von Massa (sicherlich 48er Schuhgröße!) richten mit nachträglichen scharfkantigen 
Ausbeulungen, die ein vernünftiges Pressen so gut wie unmöglich machen.“ Die Presswerkzeuge (von der Heilbronner Firma Läpple geliefert) wurden daraufhin nach Heinkels Vorstellungen für Schuhgröße 
44 entsprechend geändert. 

Hinzu kamen keine Einzelsitze, sondern eine breite, sehr bequeme Sitzbank, die Fahrer und der Sozia ausreichend Platz boten. Viele Fachjournalisten schrieben in den Artikeln hier von einem Sofa, auf 
dem auch nach längeren Fahrten keine Sitzbeschwerden auftraten. 
Unter der verschließbaren aufklappbaren Sitzbank lagen der 11-Liter-Tank, der Ölmessstab und ein geräumiges Fach für Bordwerkzeug und Regenkombi. An der Stirnwand dieses Faches war eine kleine Klappe 
angebracht, durch die die Zündkerze erreichbar war.

In der Anfangsphase der Produktion kam es immer wieder zu Schwierigkeiten mit dem Tankdeckel, der immer am Halteblech der Sitzbank auflag. Erst nach Monaten bekamen die Heinkeltechniker dieses Problem durch eine größere und tiefere Öffnung an der Sitzbankunterseite in den Griff. Ein anderes Problem bei den ersten Modellen waren die Luftleitbleche, die so eng am Zylinder anlagen, dass ein handelsüblicher Zündkerzenschlüssel nicht passte. Ab dem 2. September 1953 wurde dies geändert. Um größere Reparaturen am Roller durchführen zu können, ließ sich die hintere Haube mit Sitzbank, die durch zwei Schellen und eine Zentralschraube am Gepäckträger gehalten wurde, abnehmen. 

Der Roller war auch für größere Urlaubstouren für die Bevölkerung im aufstrebenden Deutschland gedacht. Neben dem großen Fach unter der Sitzbank war er noch mit einem klappbaren Gepäckträger auf der 
Vorderhaube, einem vor Spritzwasser geschützten Aktentaschenhaken und einem großen, stabilen und klappbaren Gepäckträger hinten ausgestattet. 
Etwas gewöhnungsbedürftig war beim Heinkel-Tourist, dass man beim Fahren das Vorderrad (verdeckt durch die große Haube) nicht sah. Die zu Produktionsbeginn an der Vorderhaube angeschweißte Lampenhaube wurde nach einer Besprechung am 18. Januar 1954 durch eine schraubbare ersetzt. 

Alle Tester der damaligen Zeit schwärmten von der Hinterradfederung. Sie war so als Einarmschwinge konzipiert, dass es eine gemeinsame Achse von Kettenritzel und Schwinge gab. Dies verhinderte, dass bei Federbewegungen die Kette zu sehr beansprucht wurde. Gleichzeitig war die Schwinge als Kettenkasten konstruiert, in dem die Antriebskette im Ölbad lief und so häufig eine Lebenszeit von bis zu 60.000 km hatte. Die Bewegungen des Schwingarms wurden durch eine Schraubenfeder abgefangen, deren Bewegungen durch einen Öldruckdämpfer abgefedert wurden. 

Die Schwierigkeiten mit der Vordergabel

Schwierigkeiten gab es dagegen mit der Vorderradfederung. Das Vorderrad wurde von einer Doppel-Teleskopgabel aufgenommen. Diese wurde durch zwei parallele Federelemente gedämpft, eine Schraubenfeder im Lenkkopf und eine davor liegende Luftfeder. Die gesamte Vorderradfederung war zu weich, schlug leicht durch und die gesamte Gabel verzog sich häufig. 

Da es ständig zu Beanstandungen der Gabel kam, wurde am 29. Januar 1954 bei einer Besprechung mit der Firma Grotz mit der Planung einer „neuen“ Telegabel begonnen. Ab dem 15. Juni 1954 wurde schließlich besseres Material (25 CrMo 4 und nicht mehr St 35,29) verwendet. Die Biegefestigkeit konnte so um 30% erhöht werden. Zur besseren Unterscheidung bei weiteren Mängeln an der Gabel wurde ab Juli 1954 nicht mehr wie bisher der Liefermonat, sondern eine laufende Nummer verwendet. 
Als Rückgrat des Rollers war, wie bei allen späteren Heinkel Tourist Rollern auch, ein verwindungssteifer Zentralrohrrahmen mit stabilem Mittelständer eingebaut.

Ein 4-Takt Motor sollte es sein

Als Motor wurde ein 1-Zylinder4-Takt-Motor mit 149 ccm verwendet. Es handelte sich hier um eine neue Konstruktion der Heinkel-Techniker und nicht um eine Weiterentwicklung des 125-ccm-4-Takt-Versuchsmotors. Der Motor leistete 7,2 PS bei 5200 U/min. Heinkel bestand bereits bei der ersten Planung darauf, dass dieser Motor nicht nur im Roller zum Einsatz kam, sondern so konstruiert wurde, dass er auch als Einbaumotor genutzt werden konnte. Durch die fehlende Möglichkeit, den Fahrtwind für die Kühlung zu nutzen (durch die Bauweise eines Rollers - Motor hinten unter einer Verkleidung), wurde der Motor durch eine gut konstruierte Zwangs-Gebläsekühlung gekühlt. 

Das gut übersetzte 3-Gang-Getriebe ließ den Roller ohne Schwierigkeiten Steigungen bis zu 28% erklimmen und erlaubte eine Höchstgeschwindigkeit von knapp 82 km/h. 
Am 29. November 1953 wurde in einer Arbeitssitzung besprochen, dass ab April 1954 der Roller - bisher mit Kickstarter ausgestattet - einen 175ccm-Motor mit Siba-StarterLichtmaschine erhalten soll. Diese Änderung sollte aber erst im Sommer 1954 mit dem Modellwechsel (102 A-1) stattfinden. 

Bei der ADAC - Winterfahrt am 8. Januar 1954 in Oberstdorf wurden die drei teilnehmenden Roller bereits mit einem 175 ccm Motor mit Kickstarter ausgestattet. Sie gewannen die Fahrt. Heinkel bot im März 1955 für die Besitzer der ersten Roller für 320,- (Aktionspreis - später 350,- DM) einen Umbau von 150 ccm auf 175 ccm an. Hierfür wurden Kurbelwelle, Zylinder und Kolben ausgetauscht. 

Zu Beginn der Produktion wurde ein Bing-Vergaser eingebaut, der ab 15. Februar 1954 durch einen PallasVergaser mit Beschleunigerpumpe ersetzt wurde. Als elektrische Anlage diente beim ersten Heinkel-Tourist eine Anlage der Firma Noris. Die 6 V-BatterieZündlichtanlage mit 35/45 Watt und automatischer Zündverstellung wurde über einen kombinierten Zünd- und Lichtschalter bedient. Der Schalter war in einem Kasten unterhalb von Tachometer und der serienmäßigen Uhr eingebaut. Das Signalhorn war im hinteren Bereich des Rollers unterhalb des Gepäckträgers angebracht. 

Schwierigkeiten bereitete immer wieder die Batterie. Hinten schräg unter dem Tank eingebaut, wurde sie häufig mit Benzin übergossen, was der Lebensdauer nicht zuträglich war. Ab 19. September 1953 konnte der Roller nach Umbau des Bremshebels am Hinterrad (85 mm statt 60 mm) auch für den Seitenwagenbetrieb (jedoch nur für 2 Personen) zugelassen werden. Erst nach Änderung des zulässigen Gesamtgewichtes bei Seitenwagenbetrieb auf 400 kg (19. 3. 1954) war das Gespann auch für drei Personen zugelassen.

Kosteneinsparungen bei der Rollerfertigung

Trotz des Verkaufserfolges des Rollers wurde ständig nach Kosteneinsparungen gesucht. So war die vordere Stoßstange (sie bestand aus immerhin 12 Einzelteilen) Anlass für mehrere Besprechungen. Da sie für 6,- DM eingekauft werden musste, überlegte man sich bereits im Juni 1954, sie durch eine Stoßstange aus Leichtmetallprofil zu ersetzen. Umgesetzt wurde diese Idee erst 1960 mit der Einführung des Rollers Typ 103 A-2. 

Bei einer Besprechung am 5. Juni 1954 wurden Möglichkeiten zur Kosteneinsparung besprochen: 

 Reduzierung der Arbeitsstunden (Fertigung des Rollers sollte auf 33 Stunden reduziert werden)

 Reduzierung der Löhne der Angelernten auf Normalmaße

 keine Facharbeiter, wo angelernte Arbeiter verwendet werden können

 Lohnvergleiche mit anderen Zweiradherstellern in Nürnberg, Neckarsulm und Immenstadt

 Preise bei Einkäufen unbedingt 10% drücken

 Beschäftigung von Frauen (keine Männer, wo man Frauen verwenden kann)

 Anschaffung von Sondermaschinen 

 Verbilligung der Verpackung

 Überprüfung der Erfordernis des inneren Kotflügels 

Ein Teil dieser Einsparungen wurde in den nächsten Jahren umgesetzt.
Trotz guter Qualitätskontrollen im Werk kam es bei den ausgelieferten Rollern immer wieder zu Beanstandungen. 
Die häufigsten waren: 

 zu großes Axialspiel beim Dreigangschaltgriff,

 vibrierende Radverkleidung,

 Spiel in den Buchsen der Vordergabel,

 Motor läuft zu „hart“ - (es liefen Versuche mit Resitex-Steuerrädern), 

 der Tankdeckel lag immer wieder am Halteblech der Sitzbank auf,

 Luftfilter drückt zu stark an der Seitenklappe,

 der Motor braucht sehr lange, bis er auf Leerlauf läuft

Schwierigkeiten gab es auch beim Transport der Roller vom Werk in Stuttgart zu den einzelnen Händlern. 
Anfangs waren die neuen Roller bei der Auslieferung nur mit einer Pappe geschützt und kamen häufig mit Kratzern und z.T. mit Beulen bei den Händlern an. Im Frühjahr 1954 wurde dieses Problem durch den Einsatz einer zusammenlegbaren HolzGitterbox gelöst. Aufgrund der hohen Einfuhrsteuer für Fahrzeuge in England wurde im September 1953 überlegt, den Roller in England zu bauen.

Geplant war, verschiedene Normteile in England zu beschaffen, Motor, Bleche etc. aus Deutschland zu importieren und den Heinkelroller in England zu montieren. Hierdurch hoffte man, den hohen Preis von 235,- Pfund zu senken und den Roller für den Englischen Markt günstiger anbieten zu können. Hierzu kam es jedoch nicht.

Gebaut wurde der Roller von Juli 1953 bis Juni 1954 in Stuttgart insgesamt etwa 6500 Mal.

Text und Fotos von Dieter Lammersdorf, 
aus dem Buch: Heinkel-Roller-Mopeed-Kabine (ISBN 978-3-935517-32-4) 
– kann im Heinkel-Shop erworben werden

Heinkel Tourist

Typ 101 A-0
Bauzeit 1953 – 1954
Motor 401 A-0 (4-Takt)
Hubraum 149 ccm
Bohrung x Hub 59,0 x 54,5 mm
Leistung 7,2 PS / 5000U/min.
Vergaser Bing 1/18/46, Pallas 18/10P
Getriebe 3 Gang – Handschaltung
Lichtmaschine Noris 6 V – 35/45 Watt
Rahmen Verwindungssteifer Stahlrohrrahmen
Bereifung 4.00 x 8“
Gewicht 129 kg
Höchstgeschwindigkeit 82 km/h
Preis bei Produktionsbeginn 1790,- DM
Fahrgestellnummer ab 111 101
Motornummer ab 400 001
Stückzahl 6.500