Montage
Zylinder, Kolben und Zylinderkopf - Teil 2
von Henning Willig
1. Putzen und Prüfen
Hier ist für die erfolgreiche Motorüberholung wenig zu putzen, es wird nur der Zylinder und der Kolben getauscht.
Prüfen: Die Paarung Zylinder-Kolben war verschlissen, der Kolben zum Zylinder hatte 0,15 mm Spiel anstatt 0,05 – 0,06 mm.
Die Ursache für den Verschleiß habe ich erst später herausgefunden, weshalb ich dies erst in der letzten Episode schreiben werde. Dies erhöht auch etwas die Spannung bei den Lesern!
Der Zylinderkopf war erst vor kurzem überholt, er wurde nur im Brennraum gereinigt, wie? Mit Verdünnung oder Ähnlichen und die Ölkohle kann mit einem Schraubenzieher oder einer Drahtbürste (ich weiss, das ist nicht professionell, aber es geht ganz gut!) vorsichtig entfernt werden, aber die Dichtfläche darf nicht beschädigt werden.
Wenn man sich nicht sicher ist, kann etwas Ölkohle auch im Zylinderkopf verbleiben, das macht wenig, außer die Verdichtung erhöhen. Das gibt dann homöopathisch mehr Leistung.
2. Überarbeiten, ersetzen bzw. Neuteile besorgen
Einen neuen Kolben mit passend geschliffenem Zylinder hatte ich im Regal, weshalb ich sofort mit dem Zusammenbau beginnen konnte. Normalerweise schickt man den Zylinder zur Heinkel-Fahrzeugteile GmbH und bekommt einen überholten Zylinder mit neuem Kolben.
3. Montage
Die Dichtfläche zum Zylinderfuß muss gereinigt und ggf. auch Rückstände der vorherigen Dichtung entfernt werden. Hier hilft ein Ceran-Kochfeld-Schaber wunderbar. Bitte keine Kratzer hineinmachen. Ich ziehe alle Dichtflächen immer mit einem Ölstein nochmals ab, um mögliche erhabene Beschädigungen zu egalisieren. Zum Schluss Reinigen = fettfrei machen mit Verdünnung, Bremsenreiniger oder ähnlichem.
Der neue Kolbenbolzen lässt sich in der Regel einfach mit dem Finger hineindrücken. Aber hier ist ganz ganz wichtig, dass absolut kein Druck seitlich auf das Pleuel ausgeübt wird.
Das Bild betrachtend das Pleuel NICHT nach links drücken. Ich halte hier den Kolben extra mit der rechten Hand, damit ich keinen seitlichen Druck auf das Pleuel ausübe, es wird nur der Kolbenbolzen in den Kolben gedrückt!
Der neue Kolbenbolzen lässt sich in der Regel einfach mit dem Finger hineindrücken. Aber hier ist ganz ganz wichtig, dass absolut kein Druck seitlich auf das Pleuel ausgeübt wird. Das Bild betrachtend das Pleuel NICHT nach links drücken. Ich halte hier den Kolben extra mit der rechten Hand, damit ich keinen seitlichen Druck auf das Pleuel ausübe, es wird nur der Kolbenbolzen in den Kolben gedrückt!
Nun bitte alles abdecken, weil es wird etwas diffizil: Den anderen Clip mit der Zange nehmen und in den Kolben einbauen, d.h. die ringförmige Clip muss genau in der runden Nut des Kolben sitzen, links wie rechts. Dies bitte sehr genau kontrollieren, am besten auch von einer 2. Person, die gut sieht. Hier ein Fehler, und der Zylinder und der Kolben sind wahrscheinlich hin.
Der Heinkel-Motor hat freistehende durchgehende Stehbolzen, die den Zylinderkopf auf dem Zylinder fixieren. Durchgehend = sie gehen am Zylinder außen vorbei in den Motorblock. Das ist in Bezug auf die Dichtigkeit keine gute Konstruktion, weil Öl an den Stehbolzen über verschiedene Wege aus dem Zylinderkopf an den Stehbolzen entlang herunterlaufen können und dann über die Gebläsekühlung eine Schweinerei verursachen. Öl und Dreck bilden eine super Pampe, vom Ölverlust und der Umweltverschmutzung ganz zu schweigen.
Also muss abgedichtet werden, wofür es mehrere Möglichkeiten gibt.
Das Öl hat mehrere mögliche Wege aus dem Kopf nach unten zu gelangen, a.) durch das Gewinde Stehbolzen zu Zylinderkopfmutter SW14 und b.) irgendwo zwischen der Dichtfläche Zylinderkopf und der Weicheisenscheiben. Deswegen muss beides abgedichtet werden.
Ich beschreiben hier 2 Lösungen:
1.) Teflon – Dirko-Lösung:
(Das ist ein selbsterfundener Name, weil die „Medizin“ aus Teflonband und dem Dichtmittel „Dirko“ besteht. Dirko ist ein hochtemperaturbeständiges Silikon-Dichtmittel = Schmotze. Es gibt diese Schmotze auch von anderen Herstellern.
(Anmerkung: Wenn ich pro Tipp immer das Warum und Wieso wie oben beschreibe, dann sprengt das die Schrauberfibel. Deshalb sage ich manchmal: Das ist einfach so! Wer Hintergrundinfos haben möchte, soll mich bitte Fragen, ich gebe gerne Auskunft!)
Damit man die Kolbenringe einfach in den Zylinder einführen kann, habe ich mir ein Blech gemacht. Es ist eine Schelle, die die Ringe umfasst und damit auf einer Seite mit Daumen und Fingern die Kolbenringe zusammengedrückt werden können. Es gibt so ein Werkzeug auch vom Club, siehe Info 4/2015 mit Bestell-Nummer 11.1892. Das Club-Werkzeug funktioniert im Prinzip gleich, nur ist es teilbar und somit nach der Montage einfacher „herauszufädeln“.
Nun die Schelle zusammendrücken und mit dem Zylinder die Schelle nach unten schieben. Dadurch werden die Kolbenringe sachte und beschädigungsfrei (und schnell) in den Zylinder eingeführt.
Es gibt auch die Schraubenzieher-Methode: Die Ringe einzeln mit dem Schraubenzieher zusammenzudrücken. Von dieser rate ABSOLUT ab. Das funktioniert nicht gut und in der Regel wird da im besten Fall irgendetwas verkratzt oder beschädigt.
Nun wird die Zylinderkopfdichtung trocken aufgelegt.
Es gibt in der Heinkel-Gemeinde wilde Diskussionen über die beste Zylinderkopfdichtung. Ich möchte dies hier nicht ausführen, aber für mich es die originale billige Dichtung OHNE Steg. Warum? Wenn der Kopf plan ist, vor allem am Brennsteg, dann hält die Dichtung.
Episode: Ich habe meinen 185,7 ccm-Gespann-Motor (Bohrung 62,00 mm) zur Leistungssteigerung über Verdichtungserhöhung den Zylinder um 1 mm (in Worten: ein Millimeter) abgedreht. Der Kopf war natürlich geplant. Dann habe ich die unten abgebildete originale Zylinderkopfdichtung (ohne Brennsteg) montiert und sie hat gehalten. Die Verdichtung war so hoch, dass ich anfänglich anschieben musste, weil der Anlasser es nicht geschafft hat. Das hat sich aber über den Verschleiß gelegt. Man fährt mit einem Gespann ja fast immer Vollgas.
Anziehen des Zylinderkopfes: Hier ist in einer bestimmten Reihenfolge vorzugehen. Die Muttern werden über Kreuz angezogen. Es ist egal, wo man beginnt, aber hier als Beispiel: a.) hinten links, b.) vorne rechts, c.) vorne links, d) hinten rechts. Und es wird in 3 Stufen angezogen.
Hier die komplette Reihenfolge:
- 10Nm auf Mutter a,
- 10Nm auf Mutter b,
- 10Nm auf Mutter c,
- 20Nm auf Mutter d,
- 20Nm auf Mutter a,
- 20Nm auf Mutter b,
- 30Nm auf Mutter c,
- 30 Nm auf Mutter d,
- 30 Nm auf Mutter a,
- 30 Nm auf Mutter b,
Wenn Sie Fragen hierzu haben, bitte melden.
Es gibt noch eine andere elegante Methode die Muttern abzudichten, die ich erst einmal ausprobiert habe. Ich habe damit keine Erfahrungswerte über eine längere Nutzungsdauer, aber es wurde mir von erfolgreichen Schraubern empfohlen.
Man beträufelt die Scheiben mit Loctite 222 und nach Anzug das Gewinde auch mit Loctite 222. Bernd hat das wunderbar im Forum beschrieben unter:
https://www.heinkel-club.de/forum/viewtopic.php?f=1&t=1629&p=8786&hilit=loctite+222#p8786
Ich werde zukünftig auch Loctite 222 verwenden, ist einfacher anzuwenden.
Bevor die Stoßstangen eingelegt werden, müssen diese geprüft werden, weil hier ein häufiges Problem auftritt: Die Anschlussteile mit den Kugeln können sich von den Stoßstangenrohren lösen. Bitte versuchen sie diese abzuziehen. Wenn das nicht geht, sind die Stößelstangen o.k.
Die Stoßstangen sind symmetrisch und müssen in den Stoßstangenkanal eingelegt werden, so, dass die Kugeln unten in den Kugelnäpfen (siehe Bilder vorher) liegen.
Blick von der Seite auf den Zylinderkopf, in den nun die Kipphebel eingebaut werden.
Als ALLERERSTES bitte den Stoßstangenkanal mit Lappen verschließen, weil relativ einfach etwas hineinfallen kann und dann der Motor komplett zerlegt werden muss. Dieser Lappen stört bei der Montage der Kipphebel, weshalb ich es ohne Lappen mache, aber mit Risiko.
Das ist zu montieren, wobei eine Scheibe immer verbaut sein muss, und zwar auf der „Druckseite“, d.h. diese Seite, auf die die Kipphebel gedrückt werden oder ganz einfach, in Fahrtrichtung vorne. Zum Ausgleich des Spiels gibt es unterschiedliche Stärken der Scheiben bei der Heinkel GmbH.
Das Spiel muss nicht vollständig ausgeglichen werden, etwas Spiel muss sein, so dass die Kipphebel frei laufen können, weil sonst die Scheiben im Kopf auf den Kipphebelböcke einlaufen würden. Es ist besser 2 dünne Scheiben, auf jeder Seite eine, als nur eine dicke Scheibe auf einer Seite einzubauen. Die Scheiben dienen auch als Anlaufscheiben im weichen Aluminium, sie sind nicht nur zur Distanzierung.
Vorsicht: Die Kipphebelböcke brechen leicht ab, deshalb keine starken axialen Schläge aufbringen.
Jetzt die Kipphebelachse mit leichten Schlägen oder besser mit der Hand, wenn es geht, in einen Kipphebelbock einführen.
Wenn man nicht weiss, ob man 1 oder 2 Scheiben braucht, dann bitte die Kipphebelbreite und den Kipphebelbockabstand messen und das Spiel ausrechnen. Dann kann man überlegen, ob man eine oder 2 Scheiben verbaut. Einfacher ist es die Scheiben zu verbauen, die beim Ausbauen drin waren, aber dies würde ich auch nochmals kontrollieren. Ich traue wenigen Schraubern, außer mir selbst.
Der Kipphebel wird eingeführt, deshalb darf die Achse nicht zu weit überstehen. Man hält den Kipphebel so, dass die Achse mit leichten Schlägen eingetrieben wird und gleich in die Bohrung des Kipphebels gleitet.
Vorsicht: Es ist leicht die Büchsen zu treffen und im Kipphebel zu verschieben. Dadurch wandert eine Büchse in die Mitte und verschließt das Schmierloch, das ist zu vermeiden.
Bevor die Achse komplett durchgeschoben wird, einen Schraubenzieher von der anderen Seite (die Seite, in der die Achse noch nicht eingeschoben ist) einführen. Dann die Distanzscheibe von oben einführen (nicht herunterfallen lassen!) und mit dem Schraubenzieher sichern, indem man mit dem Schraubenzieher durch die Scheibe „sticht“.
Nun mit leichten Schlägen die Achse durchtreiben. Wenn man merkt, es geht nicht weiter, dann versperrt die Scheibe den Durchgang. Jetzt nicht weiterschlagen, weil sonst die Scheibe deformiert wird, sondern mit dem Schraubenzieher die Scheibe so ausrichten / positionieren, dass die Achse durchrutschen kann. Das ist etwas fummelig, funktioniert aber gut. Hier einfach langsam arbeiten und auf keinen Fall Gewalt oder größere Kraftanwendung aufbringen. Die Kipphebellagerungen im Zylinderkopf brechen leicht ab oder bekommen einen Riss, der dann im Fahrbetrieb reißt.
Bitte mit ca. 7-8 Nm anziehen. Ich nehme mittlerweile für jede Schraube einen Drehmomentschlüssel, weil das Gerede: „den habe ich im Handgelenk“ Quatsch ist. Man verschätzt sich zu schnell. Und für ungeübte Schrauber ist es noch mehr zu empfehlen. So ein Drehmomentschlüssel kostet nicht die Welt, aber gibt Sicherheit.
Einen 10er Ringschlüssel auf die Kontermutter legen, wie abgebildet. Keinen Gabelschlüssel verwenden, weil der weniger Kraft überträgt und die Kontermutter ggf. runddreht.
Wir beginnen auf der Einlassseite: Zwischen den Kipphebelarm und dem Einlassventil eine Fühlerlehre (auch Spion genannt) mit 0,15 mm legen. Die Einstellschraube nach unten drehen, bis die Fühlerlehre leicht geklemmt wird.
Die Kontermutter anziehen und darauf achten, dass sich die Ventileinstellschraube nicht verdreht. Deshalb den Schraubenzieher drin stehen lassen. Nun kontrollieren, ob sich die Fühlerlehre „leicht saugend“ bewegen lasst. Wenn sie klemmt, ist es zu eng.
Tipp zur Feinjustierung:
Die Kontermutter leicht öffnen und dabei die Einstellschraube mitdrehen, nur ganz wenig. Danach die Kontermutter wieder anziehen, aber OHNE die Einstellschraube mitzudrehen. So kann man die letzten Hundertstel einstellen.
Anmerkung zum Ventilspiel:
Zu enges Ventilspiel ist gefährlich, weil dann die Ventile nicht sauber schließen und die Verbrennungsgase die Ventile zu sehr aufheizen. Dabei können die Ventile verbrennen und abreißen, Folge: kapitaler Motorschaden.
Zu großes Ventilspiel kostet nur minimal Leistung und macht mehr Geräusche, wenn die Kipphebel auf den Ventile aufschlagen. Mehr aber nicht.
Und die 4 Muttern über Kreuz anziehen.
Anmerkung: Ich nehme Hutmuttern aus VA, weil mir das gefällt. Aber das birgt auch Risiken: VA frisst schneller als Stahl. Außerdem hatte ich mal einen Kopf, wo eine Gewindestange ersetzt wurde, und die war zu lang. Dann hat die Gewindestange in der Hutmutter angeschlagen, aber der Deckel war ohne Spannung. Das ist sehr selten, aber solche Fehler können bei Teilen entstehen, bei denen man die Historie nicht kennt. Vielleicht hat mal ein Möchtegern-Spezialist den Stehbolzen erneuert, und er war zu lang. Man muss mit allem rechnen!
Sie werden sehen, dass sich der Krümmer auf den Bolzen stark „verdrehen“ bzw. bewegen lässt.
Man sieht das Spiel in meinen Krümmer, der schon ganz schön ausgeschlagen ist, weil er irgendwann zu lose montiert wurde und dann haben sich die Löcher durch die Vibrationen erweitert. Aber so sehen viele Krümmer heute aus.
Nun werden die Bleche mit Spezialscheiben und M6-Stopmuttern befestigt.
Tipp:
Für die 3 oberen Bolzen (einer hinten, 2 vorne) werden Spezialscheiben benötigt. Entweder man hat sie, oder man macht sie selbst, wie: Man nimmt M6-Karosseriescheiben (DIN 9021 glaube ich) und feilt sie so ab, dass sie oben horizontal wie abgeschnitten aussehen. Das Maß, wie viel man abfeilt, das sieht man einfach, wenn man es an den Zylinderkopf hinhält, es muss etwas Spiel zum Zylinderkopfdeckel da sein.
Ich nehme immer Scheiben in VA-Qualität.