Zum Hauptinhalt springen

Schaltung Prinzip und Schaltgriff

Wir widmen uns hiermit einem umfangreichen und komplexen Thema. Das Thema Schaltung hören wir oft als DAS Problem der Heinkel-Fahrer, weshalb wir uns da ran getraut haben. 
Noch eine Anmerkung: Wir schreiben hier nicht als Ersatz für die original Heinkel-Reparaturanleitung. Wir wollen keine Doppel-Dokumentation, deshalb bitten wir zuerst in den sehr guten originalen Montageanleitungen, welche für alle 103-er Roller, Kabinen, Perle und 150-Zweitaktern vorliegen, nachzulesen. Ebenso findet man unter Download und im Forum weitere interessante Beiträge zu den Themen. Schaltprobleme treten überwiegend bei den Modellen 103 A-1/A-2 auf, da in deren Getriebe auf die Schaltrastung auf der Schaltwalze verzichtet wurde. Deshalb widmet sich dieser Artikel auch gezielt diesen zwei Tourist-Typen. Die Schaltung der anderen Typen 101-A0, 102-A1 und 103 A0 wird anders angelenkt, ist aber im Prinzip ähnlich. Wir bitten in diesen Fällen gesagtes auf diese Typen abzuleiten. 

Man findet die Montageanleitungen unter: https://www.heinkel-club.de/t3/ml/download.html

Wir haben das Thema mal so strukturiert:

  • Wie funktioniert die Schaltung (Prinzipdarstellung)
  • Schaltgriff
  • Bowdenzug
  • Alles um den Kupplungsdeckel
  • Ausgewähltes hinter dem Kupplungsdeckel (Getriebe)
  • Einstellung der Schaltung

Wir werden uns langsam von Thema zu Thema voran arbeiten. 

Bevor wir irgendwas beschreiben, solltet Ihr das Prinzip der Hand-Schaltung verstanden haben, weil wir uns oftmals darauf wieder beziehen werden. 

Wie funktioniert die Schaltung (Prinzipdarstellung)

Die Schaltung besteht aus:

  • Schaltdrehgriff oder Drehgriff mit Gehäuse und Seilrolle
  • Bowdenzug
  • Schalthebel am Kupplungsdeckel 
  • Schaltsegment (hinter dem Kupplungsdeckel)
  • Schaltwalze
  • Getriebe (Getriebewellen, Zahlräder und Schaltgabeln)

Die Gänge werden gewechselt, in dem die Kupplung gezogen wird und am Drehgriff in die gewünschte Richtung gedreht wird. 

Bild 1: Prinzip der Schaltung beim Heinkel-Roller

Obige Prinzipdarstellung zeigt es sehr gut, hier mit Pfeilen das Hochschalten. Das Herunterschalten funktioniert genauso, nur umgekehrt. 

Im Detail: Der Schaltgriff überträgt über einen Winkeltrieb (Übersetzung mit 2 Zahnrädern) die Drehbewegung um 90° auf ein liegendes Zahnrad, in der Ersatzteilliste „Rolle“ genannt. Wir verwenden hier das Wort „Seilrolle“. In dieser Seilrolle ist der Spezial-Bowdenzug über einen verpressten „Nippel“ befestigt. Die Drehung des Schaltgriffes wird über die Seilrolle in den Zug übertragen, welcher in 2 Richtungen wirkt, also die Schaltwippe nach vorne dreht oder nach hinten. (Anmerkung: Ein Bowdenzug wirkt IMMER auf Zug, er kann nicht auf Druck wirken). Deshalb sind hier 2 Teilzüge in einem Zug vereinigt, damit vor und zurückgezogen = geschaltet werden kann. Dieser Schaltzug geht mit möglichst wenig Biegung vom Schaltgriff entlang des Rahmens, unter dem Trittbrett vorbei und endet auf der linken Seite des Motors am Kupplungsdeckel.

Durch die Drehbewegung des Schaltgriffes versetzen jetzt die Seilenden des Bowdenzuges den Schalthebel ebenfalls in eine Drehbewegung. Der Schalthebel sitzt auf dem Schaltsegment, welches durch den Kupplungsdeckel im Motor auf die Schaltwalze wirkt. Die Schaltwalze bewegt die Zahnräder über Schaltgabeln axial auf den Getriebewellen und wechselt so die Gänge. 

Voraussetzung für eine gute Funktion der Schaltung ist ein leichtgängiges und funktionierendes Getriebe, das noch keinem allzu hohem Verschleiß unterliegen sollte (insbes. Klauenrädern, Schaltgabeln und Kugel- bzw. Nadellager)!
Auf die Vorgänge im Motor wollen wir hier nicht detailliert eingehen, da dies den Artikel sprengen würde. Aus unserer Erfahrung liegen die meisten Probleme außerhalb des Motors. Jedoch sollte die einwandfreie Funktion des Getriebes bei ausgehängten Schaltzügen direkt am Schalthebel überprüft werden. Dieses Kapitel wird evtl. später im Zusammenhang mit einer Motorrevision (Kurbelwelle, Motorsteuerung und Getriebe, etc.) behandelt.

Außerdem sind in der Info 2/2018 die Probleme mit den Schaltklauen schon beschrieben. Wir fokussieren hier auf die Teile und die Einstellung der Schaltung AUßERHALB des Motors und betrachten das nun im Detail. 

Schaltdrehgriff (oder kurz Drehgriff)

Über den Drehgriff schaltet der Fahrer durch Kupplung ziehen und anschließendes Drehen des Griffes die Gänge. 

Der Drehschaltgriff besteht aus folgenden Teilen:

Bild 2: Detailbeschreibung des Drehgriffes

Den Schaltdrehgriff Teilenummer (TN) 22 11.1122, gibt es als Neuanfertigung (Bild 22 in der A1-Stückliste) und er besteht aus: 

  • Deckel (Bild 25) TN 11.1710 
  • Distanzscheibe (Bild 26) TN 11.1119 
  • Rolle bzw. Seilrolle (Bild 27) TN 11.1709 
  • Gehäuse Bild 30 TN 11.1717
  • Segment Bild 30a TN 11.1713 8,00 € 1 Segment (in der Teileliste nicht abgebildet)
  • Kegelschraube Bild 31 TN 11.1484
  • Kugel Bild 32 TN 11.1700 
  • Schraubenfeder Bild 3
  • Regulierschraube Bild 34 TN 11.1714 mit Sechskantmutter M7 x 0,75 Bild 35 TN 11.1715
  • Griffrohr Bild 37 TN 11.1707 mit Gummigriff zum Schaltdrehgriff Bild 36 TN 11.1478
  • Kupplungshebel Bild 38a TN 11.1708 

Funktionsprinzip

Beginnen wir mit dem Griffrohr. Hier ist über ovale Vertiefungen (siehe Bild 2), in die die Kugel einrastet, die Rastung der Gänge realisiert. Das ist wichtig zu verstehen, d.h. die Rastung beim A1/A2 ist nicht im Getriebe, wie bei 103-A0, sondern nur noch im Schaltgehäuse. 
Deshalb ist es wichtig, dass die Kugel im Griff über die Feder funktionsfähig ist. 

Das Thema Rastung ist sehr wichtig für die Funktionsweise der Schaltung. Wir werden später noch darauf zurückkommen beim Thema Schalten und ggf. bei der Schalthilfe.  
Zusätzlich rastet der Kupplungshebel über eine eingegossene Blechnase im Segment ein (s. Bild 2), damit man den Griff nur bei gezogener Kupplung drehen kann, sozusagen eine Verdrehsicherung gegen ungewolltes Schalten ohne Kupplung. (z.B.: Rangieren u. Aufladen auf Anhänger).

Wie in Bild 1 dargestellt, überträgt die Verzahnung im Griff die Bewegung auf die Seilrolle. In der Seilrolle ist der Bowdenzug in einer seitlichen Bohrung fixiert/montiert. Der Gehäusedeckel stellt den optimalen Eingriff der Verzahnungen sicher. (siehe Bild 2)

Verschleiß

Die meisten Teile am Schaltgriff bestehen aus-Alu-Zink-Druckguss, welches relativ verschleißanfällig ist bzw. auch nur eine eingeschränkte Festigkeit hat. Dies muss man bei Arbeiten am Schaltgriff im Hinterkopf haben, weil man ganz leicht den Schaltgriff beschädigt. Aus Fertigungsgründen wurde das aus Alu-Zink-Druckguss gemacht, weil hiermit komplexe Teile preisgünstig herstellbar sind. 

Teile (Griff und Seilrolle) mit stark verschlissenen Zähnen deshalb erneuern, sofern erhältlich. Gerade hier wirkt sich größeres Spiel zwischen den Zähnen sehr negativ auf die exakte Umlenkung der Drehung durch vergrößertes Spiel aus. Dieses Spiel muss man beim Schalten berücksichtigen, deshalb ist die Minimierung dieses Spiel sehr wirkungsvoll für die Verbesserung der Schaltung. Man muss sozusagen nicht mehr „überschalten“, um den Gang reinzubringen! Wir hoffen, dass Ihr versteht, was wir mit Überschalten meinen.

Verschleißen tut am Griff eigentlich alles, was sich bewegt, weil Alu-Druckguss weich ist. Besonders anfällig sind die Zähne an Drehgriff und Seilrolle und das M7-Gewinde für die Regulierschraube, die die Feder und die Kugel im Gehäuse hält. Hier bitte mit äußerster Vorsicht ran gehen, das Gewinde ist in der Regel ausgeleiert oder schon defekt.

Hinweis: Zum Glück gibt es hinsichtlich des Verschleisß beim Schaltgriff eine optimale Lösung. Bei der Heinkel Fahrzeugteile GmbH des Clubs gibt es eine Nachfertigung des Schaltgriffs in hervorragender Qualität zu einem vernüpftigen Preis/Leistungsverhältnis.  

Einstellung

Es sind 3 Dinge einzustellen: Die Seilrolle gegenüber der Griffverzahnung über Distanzscheiben, der Anpressdruck der Kugel über die Regulierschraube und die Stellung des Griffes zur Seilrolle.

In der Regel befindet sich mindestens eine Distanzscheibe zwischen Seilrolle und Deckel. Zur Verringerung des Leerspiels an den Zähnen sollten aber weitere Distanzscheiben eingefügt werden, so, dass das Spiel minimal, aber die Bewegung noch leichtgängig ist. Im Original war nur eine Scheibe eingelegt. 

Bild 3: Schaltgriff von unten mit Seilrolle und Ausgleichsscheiben

Seilrolle ausdistanzieren, um das Spiel zu minimieren

  • Schaltdrehgriff auf das gefettete Lenkerrohr schieben und mit der Stufenscheibe (Distanzscheibe für Spiegelausgleich Tafel 20 Bild 6) und Spiegel sichern.
  • Schaltdrehgriff auf den 3. Gang stellen und mit Kupplungshebel arretieren.
  • Die eingefettete Schaltrolle in das Gehäuse schieben, 2 gefettete Distanzscheiben passgenau an der Unterseite der Seilrolle andrücken und den Deckel montieren. Schraube dabei immer „endfest“ anziehen. 
  • Lässt sich nun der Schaltdrehgriff etwas schwergängig drehen, sollte eine Distanzscheibe wieder herausgenommen werden.
  • Ist er jedoch mit zwei Distanzscheiben noch leichtgängig, kann man es mit einer dritten Scheibe versuchen, diese aber bei Schwergängigkeit dann wieder herausnehmen!

Somit ist sichergestellt, dass das Spiel in der Verzahnung möglichst gering ist.
Außerdem ist der Anpressdruck der Kugel über die Feder und die Regulierschraube einzustellen. Hier bitte Vorsicht walten lassen, lieber weniger Druck und eine weniger ausgeprägte Rastung, als ein ausgerissenes Gewinde im Gehäuse. Die M7-Gewinde sind meist schon ausgenudelt. Alte Gehäuse in gutem Zustand sind selten und teuer. 

Außer Obigem gibt es nicht viel einzustellen, außer dass die Seilrolle im 3. Gang mit der Markierung unten übereinstimmen muss, siehe Bild 3 und auch auf Seite 46 der originalen Montageanleitung beschrieben. 

Wartung, De- und Montage

Die Schaltgriffe sind in der Regel nie oder selten gewartet worden. Deshalb sollte man das mal angehen. Man geht wie folgt vor: 

  • Spiegel, Schaltrastung (Segment), Schaltdrehgriff und Seilrolle demontieren und reinigen
  • Verzahnung an Schaltdrehgriff und an Seilrolle begutachten 
  • Beide Verzahnungen, die Auflageflächen der Distanzscheiben und die Bohrung in der Seilrolle gut einfetten, Bernds Favorit: Autol top 2000 super longtime fett
  • Die Markierung für den 3. Gang auf der Seilrolle mit Filzstift zur Mitte hin verlängern, da die Distanzscheiben die Originalmarkierung verdecken.
  • 2 Distanzscheiben beidseitig einfetten, sodass sie überkopf hängend an der Unterseite der Seilrolle kleben bleiben.
  • Sonst Montage wie in der originalen Montageanleitung beschrieben (Seite 46) 

Es sollten alle Kontaktflächen geschmiert werden, vor allem auch das Griffrohr auf dem Lenker. Ebenso schadet ein Tropfen Öl in das Gewinde der Regulierschraube nicht. 

Eine weitere Fehlerquelle ist, wenn das Gehäuse locker auf dem Lenker ist. Dann fehlt wahrscheinlich die Kegelschraube (siehe Bild 2).  Ohne ein gut fixiertes Gehäuse funktioniert die Schaltung nicht. 

Auch eine verschlissene Nase am Gehäusedeckel und deren Führung im Gehäuse kann
unerwünschtes Spiel in der Verzahnung verursachen. Und hier geht es um jeden zehntel Millimeter!
Dieses Spiel kann mit einer entsprechenden Distanzscheibe zum Spiegelausgleich 
(Preisliste Tafel 20, Bild 6 Nr. 11.1035) minimiert werden. Auch hier schadet etwas Fett nicht.

Ein gut gewarteter und eingestellter Schaltgriff ist die Basis für eine saubere Schaltung.

Schalthilfe

Eine Schalthilfe kann kein verschlissenes Getriebe oder ausgeleierte Schaltmechanik ersetzen!

Was bewirkt eine Schalthilfe? 

Eine Schalthilfe ist im Prinzip nur eine zusätzliche Rastung, mehr nicht! Sie eliminiert NICHT das Spiel im Bowdenzug bzw. im Griff. Alle Schalthilfen werden in der Nähe des Kupplungsdeckels montiert. 

Unsere Meinung: Wenn das System (Schaltgriff, Bowdenzug, Getriebe) in Ordnung ist und der Fahrer weiß, wie man richtig schaltet, ist eine Schalthilfe überflüssig. Aber es gibt Heinkel-Fahrer, die sind glücklich damit. 
Es gibt unseres Wissens 3 verschiedene Schalthilfen am Markt, aber wir (B+H) haben mit keiner ausreichende Erfahrungen, deshalb können wir hier nicht ins Detail gehen. Wir bitten Interessierte sich selbst zu informieren.