Heinkel Tourist 101-A0 (Kicki)
Allgemeines
Autor und Bilder: Dr. Hilmar Walde (1996), Lektorat anh (2021), Ergänzungen: Wolfgang Tränkner, Lektorat anh (2023)
Dieser Roller wurde von ca. Juli 1953 bis ca. Mai 1954 in ca. 6500 Exemplaren gebaut. Heute sind fahrgestellmäßig im Club noch ca. 150 Fahrzeuge erfasst, es handelt sich somit um einen der seltensten Fahrzeugtypen des Heinkelwerkes. Die kurze Bauphase des 101 A0 ist durch viele kleine Veränderungen gekennzeichnet, man merkt deutlich, dass die Fa. Heinkel damals in der Serie optimieren mußte und die ersten Käufer sicher Testfahrer waren. Der Kurzname "Kicki" wurde niemals seitens des Heinkel-Werkes verwendet, sondern kam erst in der 80er Jahren auf, um diesem Exoten unter den Heinkel-Roller eine "Identifikation" zu geben.
Ebenfalls verbürgt ist, dass die ersten ca. 200 - 250 Fahrzeuge aufgrund fehlender Karosseriepressen und Werkzeugen eine handgedengelte Karosse bekamen. Diese Karosserien unterscheiden sich geringfügig in Linienführung und Finish von den späteren Serienkarosserien. Die eigentliche Serie scheint erst im Januar 1954 angelaufen zu sein.
Die Fahrgestellnummern dieser Fahrzeuge beginnen bei 111101 und enden derzeit bei 117510. Die Motornummern beginnen bei 400001, die letzte bekannte lautet 406474.
Die Fertigung des Nachfolgemodelles 102 A1 wurde ab Fahrgestellnummer 120001 bzw. Motornummer 410001 gezählt, so daß die dazwischen liegenden Nummern nicht vergeben wurden.
Technik
101-A0
Die Technik der ersten Baureihe unterscheidet sich bei einer oberflächlichen Betrachtungsweise nicht von den späteren Modellreihen, im Detail ist aber fast alles unterschiedlich. Als gravierende Unterschiede, die es nur beim 101 A0 gab, sind zu nennen :
- Hubraum 150ccm mit eigener Kurbelwelle und kürzerem Zylinder
- Eigenes Motorgehäuse und eigener Schwingarm
- Pallas oder Bing Vergaser mit Durchmesser 18mm und Ölbadluftfilter
- 6 Volt Noris Lichtmaschine mit Regler, daher komplett eigene 6 Volt Elektrik
- Kickstartermechanismus mit spezieller Kupplungsglocke
- Runder Auspufftopf (ebenfalls beim 102 A1 bis Fahrgestellnr.: 127137)
- Feder und Dämpfer des Hinterrades in getrennter Bauform
- Rahmen mit Hilfsauslegern für Trittbrett und Motor
- Blechtrittbrett mit speziellem Knieblech
- Kofferkasten mit tiefen Fach, 6 Volt Batterie rechts hinten am Rahmenheck
- Luftklappe am Kofferkasten mit horizontalen Schlitzen
- Spezielles Sitzbankschloß
- Frontblech mit angeschweißter Scheinwerfernase bei den ersten 101A0. Im weiteren Verlauf der Produktion des 101A0 wurden anschraubbare Scheinwerfernasen eingeführt.
- Bremspedal als Sporn mit Gummiaufsatz
- Rohrständer
- Kerzenabdeckung Schieber bis 117267
- Rücklicht mit orangener Bremslichtwarze
- Zeituhr mit Stellwerk unten (ebenfalls beim 102 A1 bis Fahrgestellnr.:121141)
- Klappbarer Gepäckträger, nicht verchromt (ebenfalls noch kurze Zeit beim 102 A1)
Diese Baugruppen sind, da später nie wieder verwendet, heute entsprechend selten und sollten daher möglichst vollständig und intakt sein, wenn ein Fahrzeug original restauriert werden soll. Es gibt noch viele andere Detailunterschiede, die hier aber nicht einzeln genannt werden können. Oftmals wurden schon von den ersten Besitzern bei Reparaturen Veränderungen vorgenommen, bei Frontschäden wurde zum Beispiel häufig die Fronthaube des Nachfolgemodells mit demontierbarer Scheinwerfernase angebaut.
Die Kolbenbeschaffung für den Motor ist problemlos, da die 60mm Kolben (Grundmaß) der 175 ccm Modelle als 2. Übermaß (Grundmaß 150ccm : 59 mm) genutzt werden können. Ebenso können sämtliche Einzelteile des Zylinderkopfes von den Nachfolgemodellen benutzt werden.
Hinweis zu den Bildern: Der 101A0 wurde nur einfarbig ausgeliefert. Das in den Bildern zu sehende 2-farbige Modell wurde im Laufe der Zeit nachträglich lackiert. Für die Darstellung der Details ist die dargestellte Farbe jedoch unerheblich.
Luftfilter und 6V Batterie
Kickstarter
Getrennte Feder und Dämpfer des Hinterrades
Blechtrittblech und Fußbremsdorn
Vergaserklappe mit waagrechetn Schiltzen
Fronthaube mit angeschweißtem Scheinwerfer
Rohrständer
Rücklicht mit orangener Bremslichtwarze
Gepäckträger offen
Gepäckträger geschlossen
Fronthaube ohne Sicken
Änderungen in der Serie / Schwachstellen
101-A0
Aus heutiger Sicht und aus der Kenntnis der späteren Rollertypen ist zu sagen, dass die Konstruktion dieses Typs bei Weitem nicht ausgereift war. Viele gravierende Mängel wie zum Beispiel die ersten Bing-Vergaser ohne Beschleunigerpumpe (die dann vom Werk im Rahmen einer kostenlosen Ausstauschaktion gegen Pallas-Vergaser mit Pumpe gewechselt wurden), ein konstruktiver Fehler an der Schaltgabel im Getriebe, zu schwache und zu wenige Schaltklauen an den Getrieberädern, der zu schwache Hauptständer sowie die ungenügende Dämpfung des Hinterrades wurden erst in der Serie oder beim Nachfolgemodell behoben.
Ganz zu schweigen von dem zu schwach dimensionierten Bremssporn der Fußbremse, der bei nahezu allen Fahrzeugen, die ich kenne, abgebrochen ist.....!
Folgende Änderungen gab es in der Serie (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Handgearbeitete Karosserie der ersten ca. 250 Roller
- Verwendung von Aluminiumfelgen bei den ersten 100 Fahrzeugen
- Verwendung von Veigel Armaturen bei den ersten ca. 1200 Rollern, danach VDO
- Seitliche Trittbrettleisten ohne obere Zierrillen, ca. die ersten 1000 Roller
- Verwendung von Fronthauben mit und ohne Sicken hinter den Stoßstangenenden
Schwachstellen, die beim Kauf eines Rollers in jedem Fall gecheckt werden sollten, sind folgende:
- Ausgeschlagene Verzahnung der hinteren Bremstrommel
- Ausgeschlagene Gummi-Messingbuchse der Vorderradführung
Diese Baugruppen wurden zwar beim Nachfolgemodell noch verwendet, sind aber inzwischen aufgrund der konstruktiven Schwäche rar geworden.
Eine besondere Geschichte sind die Felgen: Die Aluminiumfelgen der ersten Fahrzeuge können zwar sehr einfach poliert werden, darin erschöpfen sich aber die Vorteile. Aus Festigkeitsgründen ist davon nur abzuraten. Selbst die Stahlfelgen (Lambretta und Fuldamobil hatten z.T. die gleichen, nur unverchromt) verbiegen und reißen unter der Belastung ein. Daher sind die nierenförmigen Bleche unter den drei Befestigungsschrauben der Bremstrommeln, die Heinkel nachträglich eingeführt hat, aus Sicherheitsgründen unbedingt erforderlich.
Sonderzubehör / Farben
101-A0
Von Werkseite gab man sich hier recht spartanisch. Reserverad und Gepäckträger waren serienmäßig. Lediglich eine Zeituhr konnte separat bestellt werden, anstelle des ansonsten an dieser Stelle wohnenden, dekorativen Blinddeckels mit dem Heinkel-Logo. Desweiteren gab es eine Gespannuntersetzung, zum Einsatz kam ein Royal RSG-Seitenwagen. Die Befestigungen des Seitenwagens waren bei diesem Modell teilweise abenteuerlich.
Auf der Farbseite sah es ebenfalls noch recht bescheiden aus. Ganze vier Farben (neptungrün, pastellgrün, pampasgrau, schwarz) standen zur Verfügung. Kombiniert werden konnten diese mit Kedern in rot, grün und schwarz sowie mit gleichfarbigen Sitzbankbezügen. Über die Möglichkeit von Zweifarbenlackierungen ist aus der Literatur nichts bekannt. Die hier gezeigten Abbildungen mit einer 2-farbigen Lackierung entsprechen nicht dem Original-Auslieferungszustand.
Umbauten auf 175 ccm
Nach dem Erscheinen der Nachfolgetypen mit 175 ccm erwachte auch bei manchem Besitzer der ersten Baureihe der Wunsch nach mehr Leistung. Das Werk bot dazu einen Umbau an mit Kurbelwelle (spezielle Kurbelwelle wegen Noris-Lima!) und Kolben mit Zylinder vom 102 A1. Dazu wurde das Gehäuse zur Aufnahme des größeren Zylinders ausgespindelt und vor die Motornummer wurde ein “U“ - vermutlich für Umbau - eingeschlagen. Aktuell sind neun existierende Umbau-Motoren bekannt.
Mit 175 ccm wird der Roller aufgrund seines niedrigen Gewichts (121 kg) und seiner kurzen Gesamtübersetzung (8 Zoll-Räder) sehr spurtfreudig und kann im hügeligen Landstraßenbereich nahezu ausschließlich im 3. Gang gefahren werden.
Fahrverhalten
101-A0
Das Fahrverhalten des 101 A0 ist kein ausgemachtes Vergnügen. Durch die fehlende vordere Dämpfung (diese kann nachgerüstet werden) und die schwache hintere Dämpfung in Verbindung mit dem kurzen Radstand neigt der Roller zu Nickschwingungen und besitzt eine sehr eigenartige Straßenlage. Der 150 ccm-Motor will fleißig gedreht werden (Kurzhuber!), speziell bei einer Fahrt mit Sozius wird der Anschluss vom 2. zum 3. Gang sehr weit. Das Orginalgetriebe kann nur als Katastrophe bezeichnet werden und sollte möglichst gegen eines vom 102 A1 mit modifizierter Schaltgabel und verstärkten Klauen ausgetauscht werden.
Das Anlassen im heißen Zustand mit Kickstarter ist aufgrund der schlechten Kickstarterübersetzung nahezu aussichtslos, hier hilft oft nur Anschieben.
Zum Fahrgefühl ist zu sagen: Aufgrund der Motorbefestigung am Rahmen und des schwingfreudigen Blechtrittbrettes gibt es ab 60 km/h serienmäßig jede Menge “Good vibrations“ !
Preise / Ersatzteilsituation
101-A0
Vor ca. 30 Jahren bekam man 101 A0-Teile nahezu geschenkt, da sie für die “normalen“ Roller nicht verwendbar waren. Viele Motoren wurden nach der Demontage des Zylinderkopfes in die Ecke gestellt oder verschrottet. Kommentar eines Clubmitgliedes auf einem Treffen Anfang der achtziger Jahre: "Heinkel-Roller gab es nur mit E-Starter! Basta!" (Leider ein weit verbreiteter Irrtum)
Aufgrund des sehr engen Marktes und der in den letzten Jahren stark gestiegenen Nachfrage hat sich dies aber drastisch geändert. Eine allgemeingültige Preisfindung ist daher aber auch sehr schwierig. Angebot und Nachfrage regeln den Preis dieses Exoten unter den Touristen.
Ersatzteile
Einfache Verschleißteile wie Bremsen, Kontakte und Zündkerzen sind kein Problem.
Auch Baugruppen, die mit dem wesentlich häufiger gebauten Nachfolgemodell identisch sind (z.B. Gabelteile, Bremstrommel vorne, Felgen, Zylinderkopf), können über die clubeigene GmbH beschafft werden. Speziell bei den unter Punkt 2 genannten 101 A0-spezifischen Details sollte auf Vollständigkeit und Funktion geachtet werden, da diese kaum erhältlich sind. Ein Originalrücklicht schlägt auf einem Veteranenmarkt schon mit ca. 300.- € zu Buche, eine Noris-Lichtmaschine oder ein Regler sind kaum auffindbar.
Zum Abschluss ist zu sagen, daß der Roller zwar nur wenige Chromteile besitzt (drei Felgen mit Verbindungsschrauben und Stützblechen, Lenker, Griffgehäuse, Verriegelungsschraube des vorderen Gepäckträgers, die beiden Halter für den Beifahrergriff an der Sitzbank, Armaturenringe und Lichtschaltergehäuse), diese aber zusammen je nach Rostbefall der Felgen zwischen einige hundert Euro verschlingen können.
Heinkel Tourist 102A1
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Leider hat sich noch kein Autor gefunden für eine Kaufberatung zum 102A1.
Heinkel 150
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Leider hat sich noch kein Autor gefunden für eine Kaufberatung zum Heinkel 150